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Von Rentieren und Weihnachtswichteln

Nicht einmal der Arbeitsplatz des Weihnachtsmannes ist in diesen Zeiten sicher. Jahrelang saß er Tag für Tag in seinem Haus am Polarkreis, begrüßte die Besuchermassen und erfreute nicht nur die Kinder unter ihnen. Doch nun kommen aus Russland und Südeuropa dank der Krisen in diversen Teilen der Welt immer weniger Besucher, und so mußte die Firma, bei der der Bärtige mit Kapuze angestellt ist, Insolvenz anmelden.

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Dantes Inferno

"Ein Untier, wild und seltsam, Zerberus,
Bellt, wie ein böser Hund, aus dreien Kehlen
Jedweden an, der dort hinunter muß."

Den Höllenhund mag sich Dante Alighieri mit Sicherheit anders vorgestellt haben, als er im 14. Jahrhundert in der "Göttlichen Komödie" den Bewacher der Unterwelt beschrieben hat, aber unweigerlich muß ich an Zerberus denken, als der kleine Welpe kläffend auf mich, den Eindringling, zukommt.

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Kapstadt des Nordens

Entschlossen und ein wenig verträumt schaut Aljoscha nach Westen. Sein Blick geht zum "Tal der Ehre" hin, wo vor über 70 Jahren die Rote Armee, der er auch angehört, in verlustreichen Kämpfen die Wehrmacht zurückgeschlagen hat. Seine Waffe steht fest neben ihm, zu seiner Rechten eine in Trauer über die Gefallenen gesenkte Flagge. Zu seinen Füßen liegen die Knochen eines unbekannten Soldaten unter einer Marmorplatte und ewiges Feuer flackert lebendig im Wind. Stahlhelme liegen daneben, manche von Geschossen zerfetzt. Aljoscha ist über 35 Meter hoch und ragt steinern über einem unbebauten, von Bäumen und Büschen bewachsenen Hügel auf. Unter ihm erklingt das Surren von Schiffsmotoren und der Lärm von Kränen und vollbeladenen Containerzügen, die sich auf einem der vielen Schienenstränge in Bewegung setzen. Könnte Aljoscha seinen Kopf von hier aus nach Süden drehen, so breitete sich Murmansk vor ihm aus.

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Kolahalbinsel

Manche sagen, hier finde man die letzte wahre Wildnis Europas. Für andere ist sie vom jahrzehntelangen, exzessiven Bergbau schwer gezeichnetes Hinterland. Einige finden hier heilige Stätten und mystische Landstriche. Die Kolahalbinsel präsentiert sich uns beim ersten Kennenlernen vor allem als ein Stück unberührte Natur. Jenseits der wenigen Straßen und Pisten liegen viele tausend Quadratkilometer, auf die möglicherweise noch nie ein Mensch seinen Fuß gesetzt hat. Manche Dörfchen, besonders an der Nord- und Ostküste, sind nur vom Wasser aus erreichbar.

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Der Archipel Solowetzki

Nervös hüpft die Kamera auf und ab. Bei jedem Stein, jeder Wurzel, überhaupt jeder kleinen Unebenheit droht sie aus dem kleinen Korb vorne am Lenker zu springen.

Wir haben uns am Morgen zwei Räder geliehen, keine "Speedbikes", wie uns die nette Dame mitteilt. Und wir sind froh drum, sind diese einfachen Eingangräder mit Rücktrittbremse doch irgendwie das Pendant zu unserem Dicken, gemütlich, langsam, bequem. Wir haben seit dem ersten Meter Spaß und legen die paar Kilometer durch den Wald, wo wir die letzte Nacht in einem Feriencamp verbracht haben und für die wir am Abend zuvor eine gefühlte Ewigkeit bepackt mit unseren Rucksäcken und Stativ benötigt haben, innerhalb kürzester Zeit zurück. Bald schon stehen wir an einem kleinen See, in dem sich die Ostseite der Klosteranlage von Solowetzki spiegelt.

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Petroglyphen

Es ist ein kleines, eher unscheinbares Tier, ein Reh vielleicht oder eine Elchkuh. Es ist wahrscheinlich weit über 6000 Jahre alt. Deutlich erkennt man seinen Kopf und seine Vorderläufe, die Hinterläufe sind verlängert und enden in einer kleinen Spirale. Der einzigen Spirale weit und breit, was dieses Tier zu etwas Besonderem macht. Nadeschda zeichnet es für uns mit Kreide auf dem flechtenbewachsenen Stein nach. Auch sie, die dieses Tier entdeckt hat, muss immer wieder mit den Fingerspitzen auf der rauhen Oberfläche nach den schwachen Spuren des kleinen Kunstwerks suchen. Mit etwas Phantasie ist es schließlich zu sehen, wenn auch nicht ganz so deutlich wie auf ihrem grünen T-Shirt. Hier, auf einem weitläufigen Felsplateau in den Wäldern nahe der Stadt Belomorsk am Weißen Meer, gibt es so viele bildhafte Gravierungen im Gestein, dass auch heute, über 50 Jahre nach ihrer Entdeckung, noch ständig neue identifiziert werden.

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"Russian Style" am Onega-See

"Aber warum seid ihr ausgerechnet nach Karelien gekommen?" fragt Nikolai Jürgen bestimmt schon zum dritten Mal. Es scheint ihm nur schwer begreiflich, dass man diese Gegend zum Ziel einer solch langen Anreise oder eines ausgedehnten Aufenthalts machen könnte. Er habe Deutschland auch schon kurz besucht, da sei es doch "so viel sauberer als hier". Kurz zuvor haben die beiden Nikolais Auto aus dem Sand geholt, in dem es sich festgefahren hatte.

Wir sind gerade dabei, unser Zelt am Onegasee abzubrechen, als wir den Pkw mit den durchdrehenden Rädern bemerken. Jürgen nähert sich zunächst mit Sandblechen, doch diese sind Nikolai ein wenig suspekt; dann der Vorschlag seinen Wagen aus dem tiefen Sand zu schleppen, aber der junge Russe gibt uns zu verstehen, daß er keine Abschleppöse an seinem Auto hat - wir sollen es "Russian Style", also mit Anschieben, versuchen. Und so werden die Männer des losen Untergrundes allmählich Herr. Nikolais Begleiterinnen und ich schauen dem Treiben aus ein paar Metern Entfernung zu. Gemeinsame Interessen von Meditation bis zur Musik sind schnell gefunden, und so mangelt es uns nicht an Gesprächsstoff. Die drei stammen aus dem nahen Petrozavodsk und besuchen ein kleines Zeltlager von Jugendlichen - eine von Nikolais Begleiterinnen will dort nach ihrem Sohn schauen.

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Kischi

Auf einmal taucht sie hinter der dicken, schmutzigen Glasscheibe des Tragflügelbootes auf. Vor schnell dahinziehenden, graublauen Wolken ragen ihre zahlreichen Zwiebeltürmchen fast unwirklich in den Himmel. Die Christi-Verklärungskirche auf der Insel Kischi im Norden des Onegasees wurde Anfang des 18. Jahrhunderts angeblich ohne einen einzigen Eisennagel komplett aus Holz erbaut. Sie wird seit einigen Jahren renoviert, eigentlich sollte sie zu ihrem 300jährigen Jubiläum 2014 vollständig rekonstruiert sein. Davon kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, zur Zeit fehlt ihr kompletter Mittelbau. Im unteren Bereich steht bereits die Konstruktion aus hellem Holz, in der Regel Kiefer; Metallgerüste tragen die alte Kuppel mit ihren 22 Türmchen, ein wenig wirkt es, als wollte man sie in die Lüfte heben.

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Am Ladogasee

Plötzlich taucht er zwischen den Kiefern am sandigen Ufer des Ladogasees auf. Er schleicht sich nicht an, sondern trottet gemächlich zwischen den Bäumen hin und her, schnüffelt mal hier, mal dort. Wir halten Ausschau nach seinen Besitzern und stellen uns schon auf Frauchen oder Herrchen ein, das gleich nach ihm aus den Büschen kommt. Aber nichts dergleichen, ganz offen kommt der Schäferhundmischling auf uns zu und läßt sich nach erstem Beschnuppern auch sofort streicheln. Natürlich geben wir etwas von unserer Wurst ab, die er genüßlich verschlingt. Dann ist es Zeit für ein paar weitere Streicheleinheiten. Völlig ohne Scheu legt er sich auf den Rücken und läßt sich richtig durchkraulen. Und wenn wir aufhören hebt er seine rechte Pfote, wie um uns anzustupsen und um mehr zu bitten. Eine kleine Weile legt er sich dann noch zu uns in den warmen Sand am morgendlichen Lagerfeuer, ganz so, als würde er schon immer zu uns gehören. Dann verschwindet er wieder zwischen den Kiefern, vielleicht um bei einer der Familien, die in einiger Entfernung von uns am Ufer des Sees ebenfalls ihr Nachtlager aufgeschlagen haben, auch etwas abzustauben.

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Athos des Nordens

Zwei Mönche sind auf einem kleinen Boot in den meeresgleichen Weiten des Ladogasees unterwegs. Sergei und Herman sind auf der Suche nach einer Stätte, um sich niederzulassen. Plötzlich taucht vor ihnen im blauen Wasser eine kleine, felsige Insel auf. Die beiden betreten diese Insel, und sie beginnt sich zu bewegen; sie bringt die beiden zu einem Archipel aus einundvierzig Inseln im nördlichen Teil des Sees, auf deren größter die Mönche Valaam errichten - heute wieder eines der bedeutendsten Klöster der (russisch-)orthodoxen Welt. Dies soll sich im zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zugetragen haben, so erzählt es uns Elena. Die Fremdenführerin mit Strohhut und geblümtem langen Rock spricht hervorragend Englisch und geleitet ihre Gruppe, bestehend aus einem Haufen sehr verschlossener schwedischer Rentner und uns, in ordentlichem Tempo über die Hauptinsel. Freiwillig lassen wir das nicht mit uns machen, aber es geht nicht anders, die Besucher der Klosteranlagen treten nur scharenweise auf und folgen brav den kleinen Schildchen, die überall hochgehalten werden. "Du hörst nicht zu und läufst immer weg", kriegt Jürgen schon bald von Elena zu hören, "deshalb fragst du immer so viel." Da wir lieber Fotos machen, als uns die Klostergeschichte anzuhören, über die wir uns im Vorfeld bereits informiert haben, haben wir bei ihr nicht gerade einen Stein im Brett. Die Geschichte mit dem schwimmenden Felsen ist natürlich eine Legende, erste historische Erwähnungen datieren die Klostergründung eher ins 14. Jahrhundert. Aber ein kleines göttliches Wunder steht Walaams Historie doch besser zu Gesicht.

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Willkommmen in Russland!

"Was schätzst du wie lange wir brauchen bis wir alle Grenzformalitäten hinter uns haben?" fragt mich Ruth, als wir am Morgen vor der anstehenden Grenzüberschreitung nach Russland auf unserem vorerst letzten Campingplatz in Finnland die Blogeinträge der letzten Tage zum Hochladen vorbereiten. Ich tippe auf drei Stunden und denke, daß das optimistisch ist, liest man doch immer wieder unterschiedliche Berichte, daß man bis zu fünfzehn Stempel in unterschiedlichen Gebäuden sammeln muß, bis man endlich durchgelassen wird. Ruth schätzt eineinhalb Stunden. Lassen wir uns überraschen...

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Zwei Nächte unter Bären

Die Stunden verstreichen, mal scheinbar in Windeseile, dann wieder zäh wie Honig; die Lichtstimmungen vor unserem Unterschlupf ändern sich ständig und wir müssen stetig der Versuchung widerstehen, nicht unablässig auf den Auslöser unserer Kameras zu drücken. Auch wenn wir die Kameras im Flüstermodus betreiben, besteht doch die Gefahr, daß das kleinste Geräusch die Bären oder Vielfraße zum Fernbleiben veranlassen könnte. Das Knarren des Holzes, aus dem die Unterstände gebaut sind, das nervtötende Scharren der Plastikstühle auf dem Boden bei unsereren kleinsten Bewegungen, das alles erscheint uns schon zu laut für Bärenohren.

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Unser Reise-ABC - Teil 1 - A bis I

A wie ANGELN

Angeln stellt sich im Saimaa-Seengebiet als einfacher heraus als gedacht: Einfach eine Angelschnur samt Haken an einen längeren Ast befestigen, einen Köder dran (hier reicht auch schon ein Stück Brotkruste!) und ins Wasser hängen. Ein wenig den Köder zappeln lassen und fertig! Auf dieser Reise haben wir zum ersten Mal überhaupt in unserem Leben eine Angelschnur ausgeworfen, weil wir zum einen gerne Fisch essen und zum anderen der eigene Fang eine günstige Bereicherung unserer Speisekarte darstellt. Zu Freizeit- und Spaßanglern werden wir aber vermutlich nicht werden!

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Koli

Tief stosse ich den Spaten ins Erdreich. Einige Stiche sind notwendig und der Boden um mich sieht bald aus als hätte sich eine Rotte Wildschweine darin ausgetobt, bis ich den ersten Wurm entdecke. Er soll uns als Köder für unser Abendessen dienen. Während ich weiter nach Ködern suche werde ich selbst zur Beute von hungrigen Schwärmen von Stechmücken. Schon nach wenigen Minuten fühle ich mich ein wenig wie Quasimodo, über und über bedeckt mit juckenden Beulen. Und so breche ich mit vier Würmern im Glas ab und mache mich auf den Rückweg. Als ich mit matschigen Stiefeln, benutztem Spaten und tief ins Gesicht gezogener Kapuze aus dem Unterholz auf den Campingplatz stolpere, sehe ich den Gesichtern der Eltern, die gerade mit ihren beiden Kindern vor ihrem Wohnmobil stehen, an, was bei meinem Anblick durch ihren Kopf geht: Wen hat der verscharrt? Ich bleibe kurz stehen, lächle ihnen zu und setze meinen Weg Richtung Boot fort, an dem bereits Ruth auf mich wartet.

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In der Stadt der Runensänger und Bären

Die Klänge der Kantele, jenes uralten Saiteninstruments, das schon Väinämöinen, einer der Protagonisten des finnischen Nationalepos Kalevala, spielt, schweben verträumt durch den Raum. Die junge Frau singt dazu mit heller Stimme ein Hochzeitslied, keines aus der Kalevala, wie sie uns erzählt, sondern aus einem der zahlreichen Liederbände, die zum reichen dichterischen Erbe Finnlands zählen. Sie ist eine Art Nachfahrin der heute fast ausgestorbenen Tradition der Runensänger, die in früheren Zeiten Geschichten und Legenden in Versform von einer Generation zur nächsten mündlich weitergaben. "Runen" steht in Finnland nicht für das bekannte altnordische Alphabet, sondern sie sind einfach Gedichte, oft als Gesang vorgetragen.

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