Skip to content

Willkommmen in Russland!

"Was schätzst du wie lange wir brauchen bis wir alle Grenzformalitäten hinter uns haben?" fragt mich Ruth, als wir am Morgen vor der anstehenden Grenzüberschreitung nach Russland auf unserem vorerst letzten Campingplatz in Finnland die Blogeinträge der letzten Tage zum Hochladen vorbereiten. Ich tippe auf drei Stunden und denke, daß das optimistisch ist, liest man doch immer wieder unterschiedliche Berichte, daß man bis zu fünfzehn Stempel in unterschiedlichen Gebäuden sammeln muß, bis man endlich durchgelassen wird. Ruth schätzt eineinhalb Stunden. Lassen wir uns überraschen...

Unsere letzte Nacht vor Russland verbringen wir auf einem Campingplatz in Lentiira. Wir sind die einzigen Gäste und gleich bei unserer Ankunft werden wir von zwei wuscheligen Hunden begrüßt, die uns fortan auf Schritt und Tritt begleiten, haben sie doch schnell bemerkt, daß sie die eingeforderten Streicheleinheiten bei uns jederzeit bekommen können.

Mal wieder sitzen wir am Abend am Laptop im Café und bearbeiten Bilder, als mit einem Male die Dame des Campingplatzes zu uns an den Tisch kommt und mir ein Telefon reicht. Etwas überrascht nehme ich es entgegen und höre eine männliche Stimme am anderen Ende in gebrochenem Deutsch sagen, daß heute ein besonderer Tag in Lentiira sei, sein Pferd habe ein Rennen gewonnen und er würde uns Kaffee und Kuchen spendieren. Ein wenig überrumpelt von der spontanen und unerwarteten Freundlichkeit stammle ich ein Danke heraus und gratuliere ihm zu seinem Erfolg. Im nächsten Moment steht schon wieder die Dame neben mir, nimmt das Telefon an sich und stellt eine Platte mit leckerem Beerenkuchen auf den Tisch.

Spät in der Nacht, als wir zu unserem Zelt gehen, begleitet uns noch der ältere der beiden Hunde bis zum Auto und bleibt daneben sitzen bis wir die Leiter hochgestiegen sind.

Am Morgen spüren wir langsam eine aufsteigende Aufregung in uns. Nach einem Monat in Finnland steht nun der Schritt in ein neues Land an. Wir freuen uns und sind gespannt, haben wir doch hauptsächlich Bedenken gegenüber Russland in der letzten Zeit gehört. All diese Warnungen sitzen einem im Hinterkopf, wenn man sich dann der Grenze nähert, man schaut nochmals alle Papiere durch, damit auch bestimmt nichts fehlt, liest erneut das Visum durch und überprüft den Stempel im Paß, der zeigt, daß man mit eigenem Fahrzeug einreisen möchte. Wie ärgerlich wäre es, wenn jetzt nach all der Vorbereitung und der Vorfreude auf dieses Land etwas fehlen und die Bürokratie uns einen Strich durch die Rechnung machen würde.

Zunächst halten wir am Schlagbaum der finnischen Grenzbehörde. Im nebenliegenden Gebäude werden die Pässe kontrolliert und der Beamte fragt uns ob es unser erster Aufenthalt in Russland sei. Als wir dies bejahen, lächelt er und wünscht uns eine gute Reise. Zu diesem Zeitpunkt stehen fünf Minuten auf der Grenzüberschreitungs-Uhr.

Wir fahren weiter zur Schranke der russischen Kollegen. Auf der Beifahrerseite stehen fünf Grenzbeamte und weisen uns einen Platz zum Halten zu. Wir winken und sie grinsen. Als wir mit unserer Mappe mit allen erforderlichen Dokumenten in dem Gebäude verschwinden, sehen wir, wie sich die Beamten von draußen um den Dicken versammeln. Dabei scheint ihr Interessen allein dem Fahrzeug zu gelten und weniger irgendeiner Art von Kontrolle.

Im Gebäude selbst bekommen wir von einer Dame, die gleich hinter ihrem Schalter hervorkommt, als sie merkt, daß wir keine Russen sind, die Migrationskarte zum Ausfüllen überreicht. Diese ist glücklicherweise neben Kyrillisch auch in englischer Sprache gedruckt. Mit der ausgefüllten Karte gehen wir nun einzeln zum nächsten Schalter, dort werden das Visum und der Paß kontrolliert. Nach einger Zeit ruft die Dame vor mir einen Kollegen von draußen herein. Die beiden diskutieren eine Weile, gehen mein Visum durch und ich denke mir schon, daß das erste Hindernis schneller als erwartet auftaucht. Sie fragen mich etwas auf Russisch und ich darf zum ersten Mal meinen brav gelernten Satz "Ich spreche kein Russisch." anwenden. Meine Aussprache scheint die beiden so zu erheitern, daß die Dame mir lächelnd meinen Paß mit abgestempelter Migrationskarte zurückgibt und sich bedankt. Ich warte, bis Ruth mit dem Prozedere durch ist und wir gehen zum nächsten Schalter. Hier geht es ums Auto. Wir zeigen Führerschein und Wagenpapiere und als Belohnung erhalten wir ein zweiseitiges Din A4 Blatt zum Ausfüllen, diesmal nur auf Kyrillisch. Gut, denken wir uns. Damit sind wir jetzt erstmal eine Weile beschäftigt. Als die Dame unsere Gesichtsausdrücke sieht, winkt sie von draußen eine der Grenzbeamtinnen herein und diese setzt sich mit uns zusammen hin und sagt uns, was wir wo hinschreiben sollen. Sie nimmt sich die Zeit und geht mit uns den ganzen Bogen durch. Anschließend wird er abgestempelt, zwei Unterschriften gesetzt und wir dürfen wieder raus zu unserem Dicken. Wir öffnen jede Kiste, es wird ein flüchtiger Blick hineingeworfen. Ein Hundchen setzt sich auf den Fahrersitz und schnüffelt ein wenig herum; fast wäre ich versucht ihn zu knuddeln, weil er einen so süßen Eindruck macht, erinnere mich aber im letzten Moment, daß es vielleicht nicht so gut ankommt, wenn ich jetzt versuche mit dem Grenzhund zu schmusen. Nachdem wir bereitwillig alles zeigen und erklären, daß unter der Plane auf dem Dach ein Zelt zum Übernachten ist, öffnet sich vor uns der Schlagbaum. Etwas ungläubig steigen wir ins Auto, winken nochmal zum Abschied und fahren los. Das kann es unmöglich schon gewesen sein! Nach einigen hundert Metern sehen wir schon von Weitem eine rote Ampel und einen weiteren Schlagbaum. Aha, denken wir uns, jetzt geht es erst richtig los. Wir halten, strecken dem jungen Beamten unsere Pässe entgegen - die Fahrzeugpapiere interessieren ihn gar nicht, und er wirft einen Blick in den Dicken, grinst uns an und wünscht uns gute Fahrt. Wir fahren und fahren und es will einfach kein weiterer Schlagbaum kommen, keine Kontrolle, nichts. Die Grenzüberschreitungs-Uhr zeigt 40 Minuten an.

Völlig verblüfft nehmen wir russisches Terrain unter die Räder und fahren Kostomuksha entgegen. Und als wären die überaus hilfsbereiten russischen Beamten und die völlig problemlose Abwicklung der Formalitäten nicht schon genug Anlaß zur Freude, kommt auch noch die Sonne heraus.

Nachdem wir in Kostomuksha die ersten Dollar in Rubel gewechselt haben und einkaufen waren, nehmen wir uns ein Zimmer im Hotel "Fregat", damit dieses die innerhalb der ersten sieben Tage nach Einreise erforderliche Anmeldung übernehmen kann.

Beim Ausladen unserer Sachen für die Nacht kommt ein sichtlich gut angeheiterter Finne auf uns zu, packt die Sandbleche kräftig an, gibt ein paar wohlwollende Laute von sich, streckt den Daumen nach oben und zeigt auf den Dicken. Er erzählt uns viel und wir verstehen kein Wort. Trotzdem können wir herauslesen, daß er oft in Russland ist, mit einer Deutschen verheiratet war, kein Englisch und Deutsch spricht, sein Freund Heikki einen Mercedes fährt und ein grünes T-Shirt trägt, er den Dicken toll findet und selbst auch ein Auto hat, in dem er schlafen kann. Zwischendrin nimmt er mich immer wieder kräftig in den Arm und wir lachen zusammen ohne auch nur ein Wort wirklich zu verstehen, das der andere sagt. Er will morgen irgendetwas zusammen mit uns machen, was das sein wird, haben wir aber nicht verstanden. Trotzdem hat er mich erneut zum Abschied gedrückt, wir lachen nochmal kräftig zusammen. Lassen wir uns ein weiteres Mal überraschen!

Das erste Abendessen in Russland sieht dem sonst üblichen zum Verwechseln ähnlich!

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.