Skip to content

"Russian Style" am Onega-See

"Aber warum seid ihr ausgerechnet nach Karelien gekommen?" fragt Nikolai Jürgen bestimmt schon zum dritten Mal. Es scheint ihm nur schwer begreiflich, dass man diese Gegend zum Ziel einer solch langen Anreise oder eines ausgedehnten Aufenthalts machen könnte. Er habe Deutschland auch schon kurz besucht, da sei es doch "so viel sauberer als hier". Kurz zuvor haben die beiden Nikolais Auto aus dem Sand geholt, in dem es sich festgefahren hatte.

Wir sind gerade dabei, unser Zelt am Onegasee abzubrechen, als wir den Pkw mit den durchdrehenden Rädern bemerken. Jürgen nähert sich zunächst mit Sandblechen, doch diese sind Nikolai ein wenig suspekt; dann der Vorschlag seinen Wagen aus dem tiefen Sand zu schleppen, aber der junge Russe gibt uns zu verstehen, daß er keine Abschleppöse an seinem Auto hat - wir sollen es "Russian Style", also mit Anschieben, versuchen. Und so werden die Männer des losen Untergrundes allmählich Herr. Nikolais Begleiterinnen und ich schauen dem Treiben aus ein paar Metern Entfernung zu. Gemeinsame Interessen von Meditation bis zur Musik sind schnell gefunden, und so mangelt es uns nicht an Gesprächsstoff. Die drei stammen aus dem nahen Petrozavodsk und besuchen ein kleines Zeltlager von Jugendlichen - eine von Nikolais Begleiterinnen will dort nach ihrem Sohn schauen.

""Russian Style" am Onega-See" vollständig lesen

Kischi

Auf einmal taucht sie hinter der dicken, schmutzigen Glasscheibe des Tragflügelbootes auf. Vor schnell dahinziehenden, graublauen Wolken ragen ihre zahlreichen Zwiebeltürmchen fast unwirklich in den Himmel. Die Christi-Verklärungskirche auf der Insel Kischi im Norden des Onegasees wurde Anfang des 18. Jahrhunderts angeblich ohne einen einzigen Eisennagel komplett aus Holz erbaut. Sie wird seit einigen Jahren renoviert, eigentlich sollte sie zu ihrem 300jährigen Jubiläum 2014 vollständig rekonstruiert sein. Davon kann allerdings noch lange nicht die Rede sein, zur Zeit fehlt ihr kompletter Mittelbau. Im unteren Bereich steht bereits die Konstruktion aus hellem Holz, in der Regel Kiefer; Metallgerüste tragen die alte Kuppel mit ihren 22 Türmchen, ein wenig wirkt es, als wollte man sie in die Lüfte heben.

"Kischi" vollständig lesen

Am Ladogasee

Plötzlich taucht er zwischen den Kiefern am sandigen Ufer des Ladogasees auf. Er schleicht sich nicht an, sondern trottet gemächlich zwischen den Bäumen hin und her, schnüffelt mal hier, mal dort. Wir halten Ausschau nach seinen Besitzern und stellen uns schon auf Frauchen oder Herrchen ein, das gleich nach ihm aus den Büschen kommt. Aber nichts dergleichen, ganz offen kommt der Schäferhundmischling auf uns zu und läßt sich nach erstem Beschnuppern auch sofort streicheln. Natürlich geben wir etwas von unserer Wurst ab, die er genüßlich verschlingt. Dann ist es Zeit für ein paar weitere Streicheleinheiten. Völlig ohne Scheu legt er sich auf den Rücken und läßt sich richtig durchkraulen. Und wenn wir aufhören hebt er seine rechte Pfote, wie um uns anzustupsen und um mehr zu bitten. Eine kleine Weile legt er sich dann noch zu uns in den warmen Sand am morgendlichen Lagerfeuer, ganz so, als würde er schon immer zu uns gehören. Dann verschwindet er wieder zwischen den Kiefern, vielleicht um bei einer der Familien, die in einiger Entfernung von uns am Ufer des Sees ebenfalls ihr Nachtlager aufgeschlagen haben, auch etwas abzustauben.

"Am Ladogasee" vollständig lesen

Athos des Nordens

Zwei Mönche sind auf einem kleinen Boot in den meeresgleichen Weiten des Ladogasees unterwegs. Sergei und Herman sind auf der Suche nach einer Stätte, um sich niederzulassen. Plötzlich taucht vor ihnen im blauen Wasser eine kleine, felsige Insel auf. Die beiden betreten diese Insel, und sie beginnt sich zu bewegen; sie bringt die beiden zu einem Archipel aus einundvierzig Inseln im nördlichen Teil des Sees, auf deren größter die Mönche Valaam errichten - heute wieder eines der bedeutendsten Klöster der (russisch-)orthodoxen Welt. Dies soll sich im zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zugetragen haben, so erzählt es uns Elena. Die Fremdenführerin mit Strohhut und geblümtem langen Rock spricht hervorragend Englisch und geleitet ihre Gruppe, bestehend aus einem Haufen sehr verschlossener schwedischer Rentner und uns, in ordentlichem Tempo über die Hauptinsel. Freiwillig lassen wir das nicht mit uns machen, aber es geht nicht anders, die Besucher der Klosteranlagen treten nur scharenweise auf und folgen brav den kleinen Schildchen, die überall hochgehalten werden. "Du hörst nicht zu und läufst immer weg", kriegt Jürgen schon bald von Elena zu hören, "deshalb fragst du immer so viel." Da wir lieber Fotos machen, als uns die Klostergeschichte anzuhören, über die wir uns im Vorfeld bereits informiert haben, haben wir bei ihr nicht gerade einen Stein im Brett. Die Geschichte mit dem schwimmenden Felsen ist natürlich eine Legende, erste historische Erwähnungen datieren die Klostergründung eher ins 14. Jahrhundert. Aber ein kleines göttliches Wunder steht Walaams Historie doch besser zu Gesicht.

"Athos des Nordens" vollständig lesen

Willkommmen in Russland!

"Was schätzst du wie lange wir brauchen bis wir alle Grenzformalitäten hinter uns haben?" fragt mich Ruth, als wir am Morgen vor der anstehenden Grenzüberschreitung nach Russland auf unserem vorerst letzten Campingplatz in Finnland die Blogeinträge der letzten Tage zum Hochladen vorbereiten. Ich tippe auf drei Stunden und denke, daß das optimistisch ist, liest man doch immer wieder unterschiedliche Berichte, daß man bis zu fünfzehn Stempel in unterschiedlichen Gebäuden sammeln muß, bis man endlich durchgelassen wird. Ruth schätzt eineinhalb Stunden. Lassen wir uns überraschen...

"Willkommmen in Russland!" vollständig lesen

Zwei Nächte unter Bären

Die Stunden verstreichen, mal scheinbar in Windeseile, dann wieder zäh wie Honig; die Lichtstimmungen vor unserem Unterschlupf ändern sich ständig und wir müssen stetig der Versuchung widerstehen, nicht unablässig auf den Auslöser unserer Kameras zu drücken. Auch wenn wir die Kameras im Flüstermodus betreiben, besteht doch die Gefahr, daß das kleinste Geräusch die Bären oder Vielfraße zum Fernbleiben veranlassen könnte. Das Knarren des Holzes, aus dem die Unterstände gebaut sind, das nervtötende Scharren der Plastikstühle auf dem Boden bei unsereren kleinsten Bewegungen, das alles erscheint uns schon zu laut für Bärenohren.

"Zwei Nächte unter Bären" vollständig lesen

Unser Reise-ABC - Teil 1 - A bis I

A wie ANGELN

Angeln stellt sich im Saimaa-Seengebiet als einfacher heraus als gedacht: Einfach eine Angelschnur samt Haken an einen längeren Ast befestigen, einen Köder dran (hier reicht auch schon ein Stück Brotkruste!) und ins Wasser hängen. Ein wenig den Köder zappeln lassen und fertig! Auf dieser Reise haben wir zum ersten Mal überhaupt in unserem Leben eine Angelschnur ausgeworfen, weil wir zum einen gerne Fisch essen und zum anderen der eigene Fang eine günstige Bereicherung unserer Speisekarte darstellt. Zu Freizeit- und Spaßanglern werden wir aber vermutlich nicht werden!

"Unser Reise-ABC - Teil 1 - A bis I" vollständig lesen

Koli

Tief stosse ich den Spaten ins Erdreich. Einige Stiche sind notwendig und der Boden um mich sieht bald aus als hätte sich eine Rotte Wildschweine darin ausgetobt, bis ich den ersten Wurm entdecke. Er soll uns als Köder für unser Abendessen dienen. Während ich weiter nach Ködern suche werde ich selbst zur Beute von hungrigen Schwärmen von Stechmücken. Schon nach wenigen Minuten fühle ich mich ein wenig wie Quasimodo, über und über bedeckt mit juckenden Beulen. Und so breche ich mit vier Würmern im Glas ab und mache mich auf den Rückweg. Als ich mit matschigen Stiefeln, benutztem Spaten und tief ins Gesicht gezogener Kapuze aus dem Unterholz auf den Campingplatz stolpere, sehe ich den Gesichtern der Eltern, die gerade mit ihren beiden Kindern vor ihrem Wohnmobil stehen, an, was bei meinem Anblick durch ihren Kopf geht: Wen hat der verscharrt? Ich bleibe kurz stehen, lächle ihnen zu und setze meinen Weg Richtung Boot fort, an dem bereits Ruth auf mich wartet.

"Koli" vollständig lesen