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In der Piatra Craiului

Vor uns liegt der steil aufragende, felsige Kamm der Piatra Craiului. Auf den im Sommer fast weiß wirkenden Wänden und Graten aus Jura-Kalkstein liegt allerorten noch Schnee. Plötzlich ein nicht allzu fernes Donnern, im ersten Moment denken wir an tieffliegende Militärmaschinen. Doch dann sehen wir in den Felsen über uns eine Schneemasse Richtung Tal stürzen. Eine Lawine, geweckt durch das seit Tagen milde Tauwetter im Königssteingebirge, wie die Piatra Craiului von der deutschsprachigen Bevölkerung Transsilvaniens genannt wird, bahnt sich ihren Weg durch die Felsspalten und zwischen den vereinzelten Nadelbäumen hindurch.

Wir sind seit dem frühen Vormittag im Nationalpark Piatra Craiului unterwegs. Unsere Wanderung beginnt an der Cabana Plaiul Foii, welche am Ende eines schönen Tales am Fuße des 25 km langen Massivs liegt. Vor einigen Jahrzehnten war das Tal vermutlich noch recht einsam und verschlafen, und die Cabana Plaiul Foii war eine einfache, bewirtschaftete Berghütte. Heute reihen sich Pensionen an schicke Landhäuser, und auch wenn sie heute noch ein guter Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen ins Königssteingebirge ist, so ist aus der Cabana mittlerweile eine modern anmutende Pension geworden. Im Sommer ist ein kleiner Betrag zu entrichten, wenn man den Nationalpark betreten will, um die 6 Lei kommen wir herum.

Strahlender Sonnenschein und ein wuscheliger Hund begrüßen uns am Eingang des Parks. Der Forstweg zieht sich zunächst leicht ansteigend durch ein weites Tal, geformt vom heute kleinen Bächlein Bârsa Tamasului. Nadelbäume säumen den Weg und auf jeder sonnenbeschienen Wiese sprießen unzählige Krokusse und Schneeglöckchen. Je höher die Wanderung uns führt, desto häufiger und größer werden die Schneefelder, die in dünnen Rinnsalen bereits den milden Temperaturen nachgeben.

Immer wieder entdecken wir Kröten, die die kleinen Wasseradern und vereinzelten Tümpel zum Laichen nutzen. Manch ein Wasserloch ist über und über voll mit tausenden dieser durchsichtigen, aneinanderklebenden Kröteneier.

Und dann auf einmal entdecken wir eine Tierspur im Schnee: Könnte es tatsächlich einer der hier zahlreich lebenden Braunbären sein? Ausschließen können wir es nicht, aber dennoch stehen die Chancen, einem der pelzigen Gesellen leibhaftig zu begegnen, äußerst schlecht. Auch wenn Rumänien stolz sein kann, in Europa eine der größten Bärenpopulationen zu beheimaten, so sind die Tiere den Menschen gegenüber sehr scheu. Und so bleibt es auch bei der Bärenspur und unserer Vorstellung, dass sich vielleicht irgendwo im Unterholz in unserer Nähe ein Bär gerade ausruht, um nachts wieder auf Futtersuche zu gehen.

Der Weg wird zunehmend schmaler, als wir ins Spirla-Tal vorstoßen, und bald schon ist immer tiefer werdender Schnee der Grund unter unseren Wanderschuhen. Im schattigen Tal des Spirla-Baches hat sich der Winter seine Kraft noch nicht ganz abringen lassen, und so stapfen und stolpern wir weiter aufwärts. Zeitweise nutzen wir den Bachlauf und kommen an dessen Ufern und Steinen etwas weniger mühsam voran. Der Weg ist nur noch ein Pfad, der manchmal recht steil auf die Felsen zustrebt, als wir uns der Spirla-Hütte nähern. Ein wenig leichter wird der Aufstieg durch eine bereits in den tiefen Schnee getretene Spur, die Wanderer vor uns hinterlassen haben. Im Sommer ist dies sicher ein sehr angenehmer Wanderweg ohne große Schwierigkeiten, aber jetzt in dem tiefen Schnee kommen wir doch ein wenig ins Schwitzen. Kurz vor der Spirla-Hütte, als sich bereits eine zweite Lawine vom Gipfelgrat löst, machen wir uns auf den Rückweg und beschließen, den schönen Wanderweg, welcher zu den La Zazplaz-Arkaden und schließlich auf den Gipfelgrat hinaufführt, lieber im Sommer noch einmal zu begehen.

Bei einem kleinen Steinmanderl am Spirla-Bach stärken wir uns mit Wurst und Käse und genießen die warme Sonne.

Die Strahlen der bereits recht tief stehenden Sonne beleuchten die nordöstlichen Ausläufer des Massivs.

Wir verlassen das Crapaturii-Tal wieder, über uns das majestätisch im Abendlicht leuchtende Königssteinmassiv, das uns sicher auch in Zukunft noch öfter zu Wanderungen locken wird.

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