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Im Land der Holzkirchen

Das kleine Haus ist das letzte in der Straße Richtung Ieud. Es ist komplett aus Holz, wie viele der alten Häuser hier im südlichen Maramuresch. Zwei Zimmer, winzig und dunkel, darin alte Möbel, Gebrauchsgegenstände und traditionelle Tücher an der Wand. Unter einem der Betten klafft ein viereckiges Loch, gerade groß genug, dass ein Mensch durchpassen würde. Es gibt nicht mehr viele dieser Häuser, und noch weniger, in denen diese Löcher noch zu sehen sind. Während des Zweiten Weltkriegs waren sie Verstecke, für Vorräte, wertvolles Hab und Gut, oder auch mal für Menschen. In diesem Haus wurde Anuta Busta geboren; heute führt die freundliche Frau mit dem rotblonden Haar gelegentlich Besucher in das kleine Museum.

Wir sind in Rumäniens nordöstlichster und entlegenster Region, dem Maramuresch, angekommen. Von feindlichen Angreifern oftmals als wenig wertvoll angesehen, von Ceausescu dank großer Entfernung zur Hauptstadt aus dem Blick verloren, hatte die Maramuresch das Glück, ihre alten Bräuche und Lebensweisen über die Jahrhunderte nahezu unverfälscht in die Gegenwart zu retten. Auf unserem Weg nach Norden besuchen wir das kleine Fleckchen Nadasa. Manchen Quellen zufolge steht hier die älteste Holzkirche Rumäniens; diese ist an der Hauptstraße des Dorfes auch schnell gefunden. Angeblich ohne einen einzigen Nagel erbaut steht das kleine Gotteshaus malerisch und etwas verwaist hinter einem schönen Holztor unweit des kleinen Friedhofs. Ob wir hier wirklich vor dem ältesten sakralen Bauwerks Rumäniens stehen, das lässt sich nur schwer überprüfen, gibt es doch andere Quellen, die diesen Titel der Kirche "Nasterea Maicii Domnului"(=Geburt der Mutter Gottes) in Ieud zuschreiben.

Gottesdienste finden hier schon lange nicht mehr statt. Wenige hundert Meter entfernt strahlt eine Steinkirche neueren Datums mit den überall blühenden Blumen um die Wette. Daneben ein kleiner Ehrenfriedhof für die zum Teil unbekannten Gefallenen im "anti-Hitleristischen Krieg".

Unser Weg führt uns weiter ins Land der Holzkirchen. Im Tal des Flusses Iza reihen sich besonders viele dieser Meisterwerke wie kostbare Perlen auf einer Schnur aneinander, nahezu in jedem Dorf gibt es eine zu bestaunen. So auch in Bogdan Voda die Kirche "Sfântul Nicolae” von 1718, die heute überragt wird von einer neuen, unspektakulären Betonkirche, die man in die direkte Nachbarschaft gebaut hat. Vor langer Zeit hieß diese damals nicht unbedeutende Siedlung Cuhea; dann brach im 14. Jahrhundert aber einer der Söhne des Ortes mit dem Namen Bogdan in die nahe Region Moldau auf und schwang sich dort zu deren erstem unabhängigem Herrscher (Woiwoden) auf. Ihm zu Ehren wurde aus Cuhea Bogdan Voda.

Am Rand des kleinen Dorfes findet man etwas versteckt unter Baumkronen und wucherndem Wein das Haus von Anuta und Grigore Busta. Sie betreiben eine ökologische Pension, die wunderbar urig und etwas chaotisch ist, und in der wir uns auf Anhieb sehr wohl fühlen. Als wir ankommen sind die beiden gerade schwer beschäftigt. Der Tisch auf der Veranda biegt sich unter kleinen und großen Gurkengläsern; für den Winter soll das Öko-Gemüse, wie Grigore grinsend betont, sauer eingelegt werden. Zu den Gurken packt der Rentner noch allerhand Gewürze, natürlich aus dem eigenen Garten. Den zeigt er uns stolz; in kleinen Gewächshäusern zieht er Tomaten, Gurken, Paprika und Bohnen, dazwischen picken Hühner im Gras und sogar das Trinkwasser kommt aus einem eigenen Brunnen.

Wie der Zufall es so will sind wir zur rechten Zeit gekommen. Am nächsten Morgen nimmt Anuta uns mit zu ihrem Geburtshaus. Film- und Videoaufnahmen sollen hier gemacht werden, dafür sind ein paar Leute aus Cluj angereist. Und ein bunter Haufen aus dem Dorf hat sich in seine Festtagstracht geworfen. Kinder und Jugendliche tanzen in leuchtendem Weiß und Rot die traditionelle Hora, ein Tanz bei dem die Teilnehmer kleine oder größere Kreise bilden. Ein paar ältere Damen sitzen daneben und spinnen auf althergebrachte Art Wolle. Eindeutiger Mittelpunkt für die Kameras der Großstädter ist aber eine hübsche junge Frau, die ebenfalls in Tracht und mit den opinci (typisches Schuhwerk aus einem geschnürten Lederstück) an den Füßen posiert und lächelt, was das Zeug hält, aber als man ihr das Spinnwerkzeug in die Hand gibt wirkt sie so, als hätte sie derlei Ding noch nie gesehen. Währenddessen erzählt Anuta drinnen im düsteren Haus ihrer Vorfahren von anderen Zeiten in der kleinen Gemeinde Bogdan Voda.

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