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Auf Draculas Spuren

Was Bram Stoker wohl sagen würde, wenn er sehen könnte, was für Blüten der Dracula-Mythos, den er Ende des 19. Jahrhundert niederschrieb, heute in Rumänien treibt? Falls er Schloß Bran, das majestätisch über dem Bran-Pass thront, jemals mit eigenen Augen gesehen hat, so war es früher sicherlich noch von den alten Bauernhäusern und Feldern umgeben, die man heute nur noch in dem kleinen Dorfmuseum unterhalb des Burgschlosses besichtigen kann.

Empfangen wurde er vielleicht von gastfreundlichen Dorfbewohnern. Heute preisen auf dem Platz vor dem Schloß unzählige Händler ihre mehr oder weniger typisch rumänischen Waren an, vom Dracula-T-Shirt über Vlad-Tepes-Kühlschrankmagneten bis hin zu wirklich hervorragendem Käse aus lokaler Produktion bekommt man hier so einiges.

Der schöne Park, der sich vor uns auftut, nachdem wir die erfreulich kurze Warteschlange am Einlaß hinter uns gebracht haben, lädt zum Genießen der warmen Sonne ein und bietet einen beeindruckenden Blick auf die weit über unseren Köpfen herabblickende Burg.

Was hat diese schöne, historisch recht unbedeutende Burg eigentlich mit Dracula zu tun? Wird sie doch in vielen Büchern und sonstigen Medien gern als DIE Burg bezeichnet, in die Stoker Jonathan Harker reisen läßt, wo er auf einen geheimnisvollen Grafen und dessen unheilvolle Gehilfinnen trifft. Nimmt man die Lage der Burg und ihre verwinkelte, dennoch befestigte Anmutung, und stellt man sich den Ort ohne Souvenirstände, dafür in zwielichtigem Nebel vor, dann kann man schon erahnen, wieso manche Menschen gerne hier Vampire heimisch werden lassen würden. Und nebenbei bringt es viel Geld in manche Kasse. Im Jahre 1377 begannen die Kronstädter Bürger mit dem Bau dieser Burg, allerdings nicht im Auftrag eines finsteren Grafen, den man nur des Nachts zu Gesicht bekam, sondern aus rein strategischen Gründen. Wenn schon mit keinem strigoi, wie Vampire in der rumänischen Sprache genannt werden, kann Bran dann wenigstens mit Vlad III. Tepes, dem berüchtigten Pfähler, in Verbindung gebracht werden? An den Souvenirständen deutet einiges darauf hin. Und um den walachischen Woiwoden ranken sich auch zahlreiche Legenden, so soll er nicht nur außerordentlich grausam gewesen sein, sondern angeblich wurden weder sein noch der Leichnam seines Sohnes je gefunden. Die Wahrheit ist wie so oft viel weniger spektakulär. Vlad Draculea (=Sohn des Drachen), der zu seinem Namen vor allem durch die Mitgliedschaft seines Vaters im mittelalterlichen Drachenorden gekommen ist, soll auch ein sehr gerechter und tapferer Herrscher gewesen sein, der sich nicht dem Einfluß der Osmanen beugen wollte. Und auf der Törzburg, wie Schloß Bran auch genannt wird, hat er gerade einmal drei Tage seines Lebens verbracht.

Das Innere der Burg bietet zwar auch ein paar Informationen zum Fürsten Vlad, rumänischen Vampirmythen wie auch zur Verarbeitung der Stokerschen Geschichte in weiteren Büchern und Filmen, vor allem läßt es den Besucher aber in die Lebenswelt der rumänischen Königsfamilie eintauchen, der die Burg 1920 von der Stadt Brasov geschenkt wurde. Heutige Besitzer sind die in den USA lebenden Nachfahren der aus der Linie Hohenzollern-Sigmaringen stammenden ehemaligen rumänischen Königsfamilie, die 1947 im Zuge der kommunistischen Revolution das Land verlassen musste.

Um einen besseren Blick auf die Burg zu erhaschen, fahren wir ein wenig raus aus Bran und halten an einer kleinen Kapelle. Kaum angekommen, sind wir umringt von einer Schar Hunde und zwei Kindern. Die vierjährige Romina schleppt noch einen Hundewelpen herbei und ihr zwölfjähriger Bruder Gheorgita erzählt stolz, dass er schon mal mit seinem großen Bruder in England gewesen sei. Die beiden freuen sich riesig über die kleinen Schokoosterhasen, die wir ihnen schenken, und die sie sofort naschen. Was die Großmutter der beiden uns erzählt, ist weniger erfreulich; so habe die Stadt Bran die Romafamilie in die ärmlichen Behausungen vor der Sadt einquartiert, die bis vor kurzem nicht einmal Strom gehabt hätten.

So scheint es also, als würde im siebenbürgischen Bran Dracula zwar gerne herbeigeredet, als wäre aber sonst nicht viel von ihm hier zu finden. Wenn man nachts aber bei offenem Fenster draußen ein Käuzchen rufen hört und die Augen schließt, kann man vielleicht zwischen Schlaf und Traum seinen Schatten vorbeihuschen sehen.

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