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Durchs "wilde" Baltikum

Auf unserem langen Weg nach Finnland durchfahren wir gleich mehrere spannende Länder, von denen wir aber vor allem Straßen und hie und da einen schönen Campingplatz zu sehen bekommen. Jetzt, wo wir im Land der tausend Seen angekommen sind, können wir nur sagen, dass wir sehr gerne mehr Zeit in jedem der vier durchquerten Länder gehabt hätten.

Polen empfängt uns mit viel Grün und wenig Siedlungen. An Poznan und Lodz vorbei geht es zunächst bis zum Städtchen Nieborow kurz vor Warschau. Dort liegt mitten im Wald neben einem kleinen Militärmuseum ein Campingplatz, auf dem um diese Jahreszeit noch so gut wie nichts los ist. Gleich an der Einfahrt kann man ein älteres Kampfflugzeug und einige in die Jahre gekommene Nutzfahrzeuge, vermutlich aus Armeebeständen, bewundern. Wir gönnen uns ein kleines Häuschen, in dem für das Nötigste gesorgt ist. Das Abendessen im Restaurant ist ausgezeichnet, es gibt Hähnchenfleisch im Speckmantel mit Dill-Kartoffeln für Jürgen, und Ruth probiert eine Art Gänse-Maultaschen, die wirklich hervorragend schmecken. Am Tag darauf zieht sich der Weg Richtung litauische Grenze etwas, da auf der Fernstraße nicht nur jede Menge Baustellen in Arbeit sind, sondern alle paar Kilometer mehr oder weniger sinnvoll auf 50 km/h heruntergebremst werden muss, so dass wir nur mühsam vorankommen.

Konnten wir in Polen aufgrund unserer bescheidenen Russischkenntnisse wenigstens noch das ein oder andere Wort entziffern, so hört es an der litauischen Grenze endgültig auf mit dem Verständnis. Doch Englisch hilft im gesamten Baltikum meist recht gut weiter. Wir fahren zügig nach Kaunas und finden dort nach kurzer Suche einen herrlich am Wasser gelegenen Campingplatz. Dort fallen wir unter den restlichen Campern sofort auf mit unserem Dachzelt auf dem Dicken.

Wir machen abends noch einen kleinen Strandspaziergang. Im warmen Licht der untergehenden Sonne sind hier noch viele Familien, Hundebesitzer und auch ein hartgesottenener Badegast unterwegs. Und man kann ein paar Wakeboardern beim Üben zuschauen. Litauen macht aus der Perspektive der Fernstraßen auch einen eher naturbelassenen, wenig bebauten Eindruck, zumindest wenn man von den größeren Städten absieht. Immer wieder sehen wir Rehe und Störche in den ausgedehnten Feldern am Wegesrand stehen.

Nach einer ruhigen Nacht im Dachzelt geht es wieder auf die Straße und wir erreichen zügig Lettland. Unser Weg führt über die Hauptstadt Riga, die wir großräumig umfahren, Richtung Küste. Hier bewegen wir uns eine ganze Weile am Kurischen Haff entlang, allerdings läßt sich von der Straße aus nur selten ein Blick aufs Wasser erhaschen. An einer Tankstelle finden wir unverhofft einen dritten Reservekanister, der perfekt in unsere letzte verbleibende Halterung passt. Lettland hat bei uns schnell den Spitznamen "kleines Russland" weg. Genauso wie die Küstenstraße stellen wir uns die endlosen Straßen in Sibirien vor, kerzengerade, von ein paar LKW abgesehen kaum Verkehr, und links und rechts dichte Birkenwälder. Hätten wir unsere Fähre nach Helsinki nicht bereits gebucht, so hätten wir liebend gern an einem der zahlreichen Campingplätze, die am Weg liegen, angehalten um die Küstenwälder zu erkunden, am Meer ein wenig von der langen Fahrt zu entspannen - es tut uns schon ein wenig leid, dass wir unter Zeitdruck weiterfahren müssen. Recht schnell erreichen wir die estnische Grenze bei Ainazi, wo, wie bei allen bisher passierten Grenzen, von Kontrollen keine Rede mehr ist.

In Estland sieht die Sprache bereits etwas nach finnisch aus, aber verstehen tun wir nach wie vor kein Wort. Beide Sprachen gehören der finno-ugrischen Sprachfamilie an, die sich nicht nur von den Wörtern, sondern auch von der Grammatik und Sprachstruktur völlig von der indogermanischen Familie unterscheidet - kein Wunder also, dass uns die teils sehr langen Wörter mit sehr vielen Um- und Doppellauten äußerst fremd erscheinen. Nach einem sehr langen Tag im Auto sind wir froh, als wir endlich das Ortsschild von Tallinn sehen. Wir beziehen einen eher spartanischen Campingplatz nah am Meeresufer, den wir erst auf den zweiten Blick und auf Nachfrage in einem ehemaligen Betriebshinterhof finden. "Stellplatz" für Camper mit winziger Rasenfläche trifft es besser als Campingplatz, aber es gibt gute sanitäre Anlagen und sogar eine Sauna. Wir stellen uns neben einen alleinreisenden Motorradfahrer aus Deutschland, der seine restliche Reisezeit noch in Estland verbringen und Richtung russische Grenze fahren will. Im Schatten eines Hochhauses haben wir eine kurze Nacht im Dachzelt, denn schon um fünf Uhr klingelt wieder der Wecker und um kurz nach sechs stehen wir beim Check-in der Viking Line Schlange.

Nach einiger Wartezeit verschwindet der Dicke tief im Bauch der Fähre und steht nun für zweieinhalb Stunden zwischen LKWs.

Sehr pünktlich zeichnen sich dann am Horizont die ersten felsigen Inseln vor Helsinki ab - wir sind in Finnland!

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