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Schloß Peles

Bei Sätzen wie "berühmtestes Schloß Rumäniens" und "Wartezeiten von mehreren Stunden" habe ich eine ungute Vorahnung von dem, was uns erwartet. Ich stelle mir eine überladene und überaus kitschige Anlage vor, ein Prunk- oder typisches Märchenschloß und richte mich innerlich auf eine Art "Pflichttermin" ein.

Von Bran aus kommend fahren wir über eine schöne Serpentinenstrecke von Norden hinein nach Sinaia und erleben die erste Überraschung. Dafür, daß hier ein Touristenmagnet sein soll, gibt es erstaunlich wenige Hinweisschilder. Und so finden wir erst nach einigem Suchen an einem der zahlreichen Kreisverkehre einen kleinen Wegweiser. Für 10 RON kann man hinauf auf den Parkplatz fahren und auf diesem stehen außer uns nur ein paar Fahrzeuge mit rumänischen Kennzeichen. Eine weitere Überraschung, habe ich doch eher erwartet in einem Strom aus Menschenmassen durch das Schloß geschoben zu werden.

Durch strömenden Regen gehen wir vorbei an einigen geschlossenen Ständen. Ihre Anzahl läßt erahnen, daß hier durchaus sehr viel mehr los sein kann. Heute trotzen nur zwei Damen von Regenschirmen geschützt hinter ihren kleinen Grills dem unaufhörlich niederprasselnden Regen und bieten Maiskolben an. Bald schon können wir einen ersten Blick auf Schloß Peles erhaschen, fast schüchtern scheint es sich hinter groß aufragenden Bäumen zu verstecken, sehr unaufdringlich für ein so berühmtes Gebäude. Von außen wirkt es sehr viel kleiner als ich es erwartet habe und die hellen Mauern in Kombination mit dem dunklen Holz ergeben ein sehr harmonisches Bild. Ich bin mehr als positiv von der Erscheinung überrascht und so stört es auch nicht, daß wir klatschnaß am Eingang ankommen.

Der mit dunklen Wolken gespickte Himmel, der sich über der Anlage wölbt, erstickt jede Hoffnung auf Besserung des Wetters im Keim. Dicke Nebelschwaden hängen in den Wäldern, die das Schloß umgeben. Auf alle Fälle eine interessante Abwechslung gegenüber all den Postkarten, die zum Verkauf angeboten werden und auf denen Peles vor blauem Himmel posiert. Bei Sonnenschein kann schließlich jeder die Sehenswürdigkeit ablichten. Der Eintritt fällt überraschenderweise geringer als erwartet aus; Zutritt erhält man für 50 RON plus 32 RON für eine Fotoerlaubnis. Einen abgespeckten Rundgang, der nur das Erdgeschoß beinhaltet bekommt man schon für 20 Lei. Aber der Aufpreis, um auch in den ersten Stock zu kommen, lohnt sich auf alle Fälle.

Kurz nach Betreten der Innenräume muß man sich blaue Plastikbeutel über die Schuhe streifen, um die teils noch originalen Teppiche und das Parkett zu schonen. Nur eine sehr überschaubare Menge an Besuchern ist außer uns unterwegs und so können wir uns viel Zeit lassen und haben keinen Streß, in Ruhe zu fotografieren. Die dunklen Nußbaumtäfelungen und die stets mit schweren Vorhängen verhängten Fenster stellen eine echte Herausforderung dar, die Innenräume ohne Stativ abzulichten.

Schon gleich zu Beginn, am Fuße einer großzügig bemessenen Treppe, richtet sich der Blick nach oben in die Empfangshalle. Das Oberlicht strömt durch bemalte Fenster, die sich elektrisch Öffnen lassen. Das von 1883 bis 1914 erbaute Gebäude ist das erste komplett elektrifizierte Schloß Europas. So hatte es damals schon Zentralheizung, Fahrstühle, Telefon und elektrisches Licht.

Die prächtigen Hallen, die reich verzierten Schnitzereien und bunt bemalten Fenster, die von Statuen gesäumten Korridore und breiten Treppenaufgänge konfrontieren den Besucher mit einer permanenten Reizüberflutung. So viele Eindrücke, so viele Details, die zu entdecken sind, egal wohin man schaut, gönnen dem Auge keine Ruhe.

So beherbergt einer der Räume eine riesige Waffensammlung. Die Wände hängen voll mit Schwertern, Schilden und Armbrüsten, vor einem großen Fenster steht eine in Rumänien einzigartige Rüstung eines Pferdes, die alleine einhundert Kilogramm wiegt. Über einem Kamin hängt ein Schwert, das früher für Hinrichtungen verwendet wurde und in dessen Schneide eine Inschrift graviert ist, die demjenigen, der mit dieser Waffe enthauptet wird, Vergebung verspricht. Angesichts dieser zynischen Aussage stellt sich die Frage, wievielen Menschen dies schon Trost gespendet hat.

Die wertvollsten Exemplare der Waffensammlung werden in einer Glasvitrine ausgestellt. Darunter befindet sich ein türkischer Krummsäbel, dessen Scheide aus gefärbter Haihaut besteht.

Die Einrichtung wirkt trotz der unzähligen Exponate, Bilder, Büsten und Möbel selten überladen und so machen die meisten Räume einen sehr harmonischen Eindruck. Aber eben nur meistens. Auch hier gibt es ab und zu Gegenstände, an denen ich, würde ich ihnen auf einem Flohmarkt begegnen, schmunzelnd vorübergehen und mich fragen würde, wer für so etwas Geld ausgibt. So ergeht es mir auch mit einem Spiegel, der mit vielen verschieden farbigen Glasblumen ringsum geschmückt ist. Ich werde aber schnell belehrt, daß es sich bei der überfrachteten Ausgeburt des Kitsches um ein Meisterwerk venezianischer Glaskunst handelt.

Im oberen Stock befindet sich neben den privaten Räumlichkeiten wie Schlafzimmer, Ankleide- und Schminkzimmer auch ein sehr beeindruckender Saal, der stark an die Alhambra im spanischen Granada erinnert. Das Schloß beherbergt ebenfalls einen kleinen Konzertsaal mit Orgel und ein Theater, in dem 1906 die erste Kinovorstellung Rumäniens stattgefunden hat. An den Wänden sind Gemälde von Gustav Klimt zu sehen.

Mehrere Stunden verbringen wir in Schloß Peles und stärken uns anschließend erst einmal im Café mit einer heißen Schokolade und einem deftigen Stück Kuchen. Kaum sitzen wir und wollen uns entspannen und die eben gewonnen Eindrücke verarbeiten, packt neben uns ein Rumäne seine Gitarre aus und beginnt auch sogleich damit, die Seiten schwingen zu lassen. Aber es wird glücklicherweise nicht so penetrant wie befürchtet, so daß wir am Ende sogar seine selbstgebrannte CD kaufen, in die er nach eigenen Angaben 300 Stunden Arbeit gesteckt hat. Wir kommen kurz mit ihm ins Gespräch und er spricht auch ein paar Brocken deutsch, da er, wie viele Rumänen, einmal für ein paar Monate in Deutschland gearbeitet hat.

Zum Abschluß statten wir noch dem nahe gelegenen orthodoxen Kloster einen kurzen Besuch ab. Tief beeindruckt von einer Pilgerfahrt auf den Berg Sinai, gründete der Bruder eines walachischen Fürsten nach seiner Rückkehr in die Heimat um das Jahr 1680 diese Klosteranlage. Von ihr hat der Ort auch seinen Namen, Sinaia.

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